Eine schwarze Katze in roten Stiefeln - Wer möchte da nicht mal Mäuschen sein?
In Mainaschaff ist's möglich: Das »Puppenschiff« inszeniert den »Gestiefelten Kater«


Mainaschaff. Im Märchen ist die Welt halt noch in Ordnung!? Hier geht es nicht darum, wer die Hosen trägt, hier hat ganz einfach der Kater die Stiefel an - und deshalb die Fäden in der Hand. Dabei ist dieser berühmte »Gestiefelte Kater« doch selbst eine Marionette; eine des Mainaschaffer Theaters »Puppenschiff«, das mit dem Kinderstück um den wunderbaren Miauer nach etlichen Monaten Produktions-Pause wieder die Segel setzt.

Zur Premiere am Sonntag im eigenen »Theater in der Krone« präsentierte sich das Ensemble vergrößert und teilweise vejüngt; aber weiterhin profiliert dank den Ideen des Regisseurs und Texteschreibers Bernd Weber. Der hatte sich diesmal vom Grimmschen »Gestiefelten Kater« hinreißen lassen und dabei bemerkt, daß Jakob und Wilhelm das Märchen gar nicht aus dem deutschen Volksmund entnommen, sondern wahrscheinlich von dem französischen Barock-Dichter Charles Perrault abgekupfert haben.

Das Puppenschiff inszenierte kurzerhand eine eigene Mischung aus Perrault und den Grimms; und deshalb sind die Kaninchen im Original dann Rebhühner in der Kopie oder irgendwie umgekehrt. Des Königs Jäger können letztere sowieso nicht erkennen, weil sie schon gar nicht wissen, wie solche Federtiere überhaupt aussehen.

Jedenfalls flatterten vorgestern Marionetten-Rebhühner über die Guckkasten-Bühne und in die Falle, die ihnen der gestiefelte Kater gestellt hatte. Ein tierisches Durcheinander? - Also vom Anfang des »Es war einmal« erzählt:

Nach dem Tod des Vaters erben die drei Müller-Söhne drei Preziosen: der Alteste die Mühle, der Dumme den Esel, und der Jüngste die schwarze Katze, die von rechts auftrat, und diesem Hans daher Glück brachte.

Das sprechende und singende Tier fragt denn auch gleich »ganz allgemein, warum kann ein Kater nicht gestiefelt sein«? Der Hans kauft ihm also rote Stiefel, woraufhin die Geschichte auf dem Absatz kehrt macht. Denn nun spielt die Katze Schicksal:

Dem König - der unter Regieren Essen versteht und unter Essen Regieren, und dessen Jäger eben zu dumm sind, Rebhühner zu schießen - bringt der Kater das erwünschte Federvieh und führt darüber seinen Hans als »Graf von Carabas« ein.

Der König verguckt sich in die vorgetäuschten Ländereien des falschen Adeligen, und seine Tochter in den Hans selbst. Ihr kommt es jedoch nicht auf die prunkvollen Kleider an, sie verläßt sich auf den Menschen der darin steckt. Das Glück rundet der Kater ab mit einem Schloß, aus dem er den Besitzer, einen bösen Zauberer, entfernt hat: Tja, die Katze läßt auch im Märchen das Mausen nicht und frißt den in ein solch kleines Tier verwandelten Magier einfach auf. Die packendste Szene des knapp eineinhalb Stunden dauernden Singspiels.

Hier ist Illusionskunst gefragt und eingelöst: Während in den USA Siegfried und Roy Tiger auf die Bühne zaubern, tun dies die Mainaschaffer mit Mäusen und Elefanten. Weitere Tricks im Stück: Die Puppe, die Schuhe aus dem Regal holen kann, und ein Pferd mit Kutsche.

Spezial-Effekte auch in der Aufbereitung des Stücks: Das Puppenschiff beläßt die Geschichte einerseits in der romantischen Märchen-Schwebe und zieht es andererseits in die Tatsächlichkeit. Etwa mit dem rundum gelungenen Koch, dem eine beschwingte Arie als schmackhaftes Klagelied auf den Leib geschrieben ist. Oder mit den beiden erfolglosen Grünröcken, die am Ende des Stücks glauben, in den klatschenden Zuschauern endlich ihre Rebhühner gefunden zu haben; ein Schlußgag, der auf mehr Witz und Satire vom »Puppenschiff« hoffen läßt.

Manuela Klebing

Main-Echo vom 7. Mai 1996