Voller Phantasie und von poetischer Dichte
Zimmertheater: Premiere der Schneekönigin" - Großer Erfolg für das Stockstädter Puppenschiff

Bernd Weber und sein Stockstädter Puppenschiff stellten sich in ihrer jüngsten Produktion "Die Schneekönigin" ganz auf den poetischen Reiz des Puppenspiels ein. Sie erzählten das Märchen von Hans Christian Andersen, daß die Kälte im Herzen der Menschen durch einen Teufelsspiegel in die Welt kommt und daß diese Kälte nur durch die Kraft der Liebe weggeschmolzen werden kann, fast schlicht und einfach; ohne überdrehte Show-Zutaten wie erst im Vorjahr mit "Schneewittchen", die das Puppenspiel verwässern, ja verfälschen können. Es zeigte sich bei der Premiere am Mittwoch abend im Zimmertheater der Jungen Bühne an der Grünewaldstraße, daß nicht nur Gags am laufenden Band, ausgefallene Einfälle, kabarettistische Aufmachung oder phantasievolle "Garnierung" einen rauschenden Erfolg sichern. Für die poetische Dichte, mit der das Stockstädter Puppenschiff das uralte Motiv von der Erlösung durch die Liebe transparent machte, gab es nach jedem Bild starken Beifall und sehr häufig Szenenapplaus, besonders dann, wenn ein Bühnenbild für einen Überraschungseffekt sorgte.

Das Stockstädter Puppenschiff hat in Aschaffenburg eine große Anhängerschar. Sie war auch diesmal gut dafür, daß noch vor der Premiere alle Vorstellungen der "Schneekönigin" ausverkauft waren. Seit nunmehr 14 Jahren begeistern die Puppenspieler und Bernd Weber ihre Gemeinde. In dieser Zeit haben sie aus einem Hobby eine ständige Kultureinrichtung geschaffen, die nicht nur am bayerischen Untermain ihre Freunde hat.

Wie immer, so waren auch bei der "Schneekönigin"die Bühnenbilder hervorragend "inszeniert". Da gab es die phantasievolle Hölle mit dem Teufelsspiegel, das reizvolle Ensemble der Dachwohnung der Großmutter mit dem kleinen Dachrosengarten, das mit Recht starken Szenenapplaus erhielt. Eine altfränkische Altstadtkulisse als Panoramawand entzückte ebenso wie der Zaubergarten der Blumenfee, der Räuberwald, die Winterlandschaft à la Rischar, ein Schloß oder wie der Palast der Eiskönigin. Da gab es eine märchenhafte Schlittenfahrt, eine goldene Karrosse, ein Rabenpärchen, ein Rentier oder ein Blumenballett, die einfach verzauberten.

Und die Zuschauer ließen sich gerne von Bernd Weber und seinem Stockstädter Puppenschiff verzaubern; auch da, wo der Meister eigentlich den Rotstift hätte ansetzen müssen. Aber das "Drehbuch" der "Schneekönigin" war so liebevoll geschrieben und so zauberhaft in Szene gesetzt, daß man gewisse Längen, besonders bei den Liedern, mit Schmunzeln in Kauf nahm. Einige Passagen wirkten gedehnt oder aufgesetzt. Aber muß denn ein Puppenspiel immer zwei Stunden dauern? Und wenn schon auflängen, dann lieber mit Balletteinlagen. Sie kamen diesmal etwas zu kurz.

Gut war auch, daß die Puppenführer in der "Schneekönigin" nicht persönlich auftraten. Dadurch konnte sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer ganz auf die Bühne konzentrieren, auf der es immer wieder etwa Neues zu sehen und zu bewundern gab. Die Puppenführer gingen diesmal sehr subtil zu Werke und erreichten durch fast sparsames Agieren große Wirkungen. Allerdings waren ihre "Stars" diesmal sehr stark. Da waren Gerda, die ihren Kay so herzlich liebt, daß sie alle Gefahren auf sich nimmt und barfuß bis nach Lappland wandert, nur um ihren Spielgefährten aus dem Schloß der Schneekönigin zu befreien, die herrlichen Roben der Schneekönigin, des Prinzen und der Prinzessin, der Blumenfee und erst die liebe alte Großmutter, von der weisen Eskimo-Frau ganz zu schweigen. Und erst die drei Räuber mit ihrem Räubermädchen ...

Der Musik gilt die große Liebe von Bernd Weber. So ist es verständlich, daß er großen Wert darauf legt, die Produktionen des Stockstädter Puppenschiffs mit einer fast durchgehenden Bühnenmusik auszustatten, was häufig die Gefahr in sich birgt, in eine Art von Puppenoper auszuarten. Hier sollte man sich ebenso wie bei den Texten vor Wildwuchs hüten.

Auch die "Schneekönigin" ist wieder ein großes Vergnügen, ja künstlerisches Erlebnis, für das man Bernd Weber und seine Spielschar nicht genug danken kann. Gewiß wird auch heuer wieder das Zimmertheater der jungen Bühne weitere Vorstellungen ansetzen müssen, um alle Wünsche nach Karten zu befriedigen. So wie es aussieht, könnte das Ensemble der jungen Bühne alternierend mit dem Stockstädter Puppenschiff in seinem Zimmertheater fast Repertoire spielen. Die Termine von weiteren 22 Aufführungen des Dauerbrenners "Jetzt nicht, Liebling!" stehen schon fest und werden wie bei der "Schneekönigin" für ausverkaufte Vorstellungen sorgen.

Der Puppenschiff-Mannschaft Bärbel Dörfler, Manfred Markert, Eva Schumacher, Andreas Stoll, Ralf Tritschler, Christina Trummer, Claudia Trunk und ihrem Kapitän Bernd Weber ein herzliches Dankeschön für einen verzauberten Abend.

J. Ripphausen

Quelle unbekannt