Ein bis eineinhalb Jahre vor der Premiere:
Das Konzept für ein neues Stück wird erarbeitet. Brauchen wir ein Kinderstück oder eher etwas für Erwachsene? Soll es lustig oder ernst sein? Nachdem diese Fragen geklärt sind, bringt jeder Vorschläge über die Thematik ein, oder beschafft Material, falls wir nach einer Vorlage (z.B. einem Märchen) arbeiten.
Auch wird im Vorfeld schon über eventuelle Probleme (u.a. technischer Art) diskutiert, die bei einem bestimmten Stück auftreten können, so daß beim Text darauf geachtet werden kann, daß man solchen Problemen entweder aus dem Weg geht, oder eine Lösung sucht, die sich auch im Puppentheater realisieren läßt.
Während der Text geschrieben wird, arbeiten in der Puppen-Werkstatt schon einige Personen an den Köperteilen für die Marionetten:
Hier werden zuerst Puppen-Hände auf Vorrat hergestellt:
Hierzu werden aus bestimmten Formen Kinder-, Frauen-, und Männerhände gegossen, die dann von Hand geschliffen, bemalt und lackiert werden müssen.
Analog dazu werden auch Füße und Schuhe gebaut.
Jetzt ist auch eine Aufstellung der Puppen vorhanden, die in dem Stück gebraucht werden, zuerst vor allem die Hauptpersonen, aber auch Komparsen dürfen nicht venachlässigt werden. In der Regel verwenden wir keine Puppen aus anderen Stücken weiter, so daß pro Stück 30-60 Puppen produziert werden müssen.
Ein halbes Jahr vor der Premiere:
Nachdem bekannt ist, welche Marionetten hergestellt werden müssen, können die ersten Köpfe modelliert werden. Diese Arbeit ist besonders zeitaufwendig und kann zudem nicht von jedem durchgeführt werden, da hierfür spezielle Kentnisse und Fertigkeiten gefordert sind.
Hier wird zuerst auf einen Aluminiumkern Modelliermasse aufgetragen und dann geformt. Nach vielen, vielen Trockenvorgängen und Korrekturen kann der Kopf dann geschliffen werden, was sich im Gesicht als besonders schwierig erweist, da dort viele kleine Falten und Kanten sind, an die man ohne Spezialwerkzeug gar nicht herankommt. Auch die Köpfe werden dann bemalt, was ebenfalls keine leichte Aufgabe ist - jeder der schon mal Schminke im Gesicht hatte, weiß das.
Zum Schluß wird noch eine Perücke ausgesucht.
Nebenbei werden auch die "Skelette" der Marionetten erstellt. Arme und Beine werden aus Rundhölzern gesägt, schräg geschliffen und dann mit Leder- und Ringschraubenverbindungen zusammengesetzt.
Sobald die Köpfe fertig sind, ist es auch an der Zeit, die Kleider zu nähen, denn die müssen ja zum Gesicht passen. Auch das ist keine leichte Aufgabe, vor allem, weil auch hier fast alles Millimeterarbeit ist, und schon das Anziehen der Marionetten einen vor Probleme stellen kann.
Mit Puppenliste und Köpfen ist es auch möglich, ein Casting für die Sprecher zu machen, die später den Marionetten ihre Stimme leihen sollen - denn die müssen ja ebenfalls zur Puppe passen. Hier stellt sich dann auch die Frage, ob jemand singen kann; abhängig davon wird eine Figur später möglicherweise ein Lied bekommen. Grundsätzlich gilt, daß alle Hauptpersonen aber auf jeden Fall singen können müssen, das ist quasi Aufnahmebedingung.
Jetzt beginnen auch die Arbeiten am Bühnenbild. Diese werden an Ort und Stelle ausgeführt, also im Theater im Mainaschaff. Das wäre auch gar nicht anders möglich, denn die Bühnenbilder sind auf bis zu 40 Meter lange Stoffbahnen gemalt, die später auf Rollen hinter der Bühne befestigt werden. So ist es möglich, daß Bühnenbild durch einen Aufrollmechanismus in wenigen Sekunden zu wechseln.
Jetzt müssen des öfteren Puppen oder in der Werkstatt in Stockstadt hergestellte Requisiten ins Theater gefahren werden, um zu sehen ob deren Größe zum Bühnenbild paßt, oder ob sich die Farben etwa beißen.
Zwei Monate vor der Premiere:
Während die Arbeiten in der Werkstatt und im Theater noch in vollem Gang sind, ist inzwischen der Text fertig, auch die Lieder sind notiert.
Jetzt werden Sprecher und Musiker verständigt, und Termine im Tonstudio ausgemacht. Es ist gar nicht so einfach, alle Leute zur selben Zeit ins Studio zu holen. Da kann es dann schon sein, daß der Sprecher des jahrelang verschollenen Odysseus, der seine Dienerin bei seiner Rückkunft umarmt, diese im Studio gar nie gesehen hat.
Im Studio wird jetzt also Seite für Seite des Textes gesprochen, jeder einzelne Satz muß abgehakt werden. Hier wird von den Sprechern eine besondere Leistung verlangt, die viele der Schauspieler, die oft von der Bühne kommen, gar nicht kennen: Sie müssen aus oben genannten Gründen lange "Monologe" halten, da ihre Partner nicht da sind, sie müssen auf Dinge reagieren, die gar nicht passieren. Auch hier gehts also mehr handwerklich als künstlerisch zu.
Allerdings ist die Atmosphäre hier , wie oft bei uns im Theater, sehr lustig. Vor allem Versprecher sorgen immer wieder für Begeisterungsstürme im Studio. Deshalb haben wir hier eine Auswahl der schönsten Versprecher bei den Aufnahmen von Odysseus zusammengestellt.
Durch den Computerschnitt, der gleichzeitig in einer Rohfassung durchgeführt wird, können dann später alle Sätze mühevoll nahtlos zusammengefügt werden, so daß sich die Leute tatsächlich zu unterhalten scheinen. Sogar ins Wort fallen können sie sich durch die Mehrspuraufnahme. Später werden dann noch Soundeffekte hinzugefügt, schließlich wollen wir, daß Skylla und Charybdis Odysseus auch "so richtig" verschlingen. In dieser Szene arbeiteten wir beispielsweise mit 12 Tonspuren gleichzeitig, z.B. für Meeresrauschen, Wellen, Takelagenknarren, Schreie usw.
Im gleichen Verfahren werden auch die Lieder aufgenommen: Erst wird eine Grundmelodie zur Stütze aufgenommen, dann folgen Stimme und Instrumente.
Nach etwa eineinhalb Monaten liegt dann endlich das fertige "Ton-Meisterwerk" vor: Zum Schluß werden noch Effekte auf manche Stimmen gelegt und Lautstärken angepaßt. Jetzt wird es endgültig auf Minidisc und CD verewigt und kann zur ersten Probe benutzt werden.
Ein Monat vor der Premiere:
Langsam bekommen alle leichte Panikanflüge. Läßt sich der Premierentermin wirklich einhalten? Werden alle Puppen fertig? Hat überhaupt jemand den Pressetext herausgegeben? Wer fährt zum Fernsehen und zur Zeitung? Nachdem aber die erste Probe mit vielen Ersatzpuppen (weil die richtigen noch nicht fertig sind) absolviert ist, lockert sich die Stimmung wieder. Allerdings haben die meisten für die nächsten vier Wochen jetzt einen 18-Stunden-Tag. Da jeder nebenbei noch arbeitet oder zur Schule geht, bleibt effektiv gar nicht so viel Zeit fürs Theater (oder für die Arbeit, das ist Ansichtssache).
Nun werden die letzten Puppen zusammengesetzt, soweit noch nicht geschehen. Sonntags wird geflucht, weil die Baumärkte nicht offen haben, und die Pizza-Liefer-Dienste haben Hochkonjunktur.
Bei jeder Probe ist jeder entsetzt, was noch alles fehlt, Fehler im Ton werden festgestellt, also nochmal ins Studio und in die Werkstatt.
Aber dann ist es endlich soweit: Der Premierentag ist gekommen. Großes Lampenfieber hat fast keiner, dazu sind alle viel zu geschafft. Die Premiere geht trotz der Müdigkeit und der noch zu geringen Probenmöglichkeit sehr gut über die Bühne, das Publikum ist begeistert. Nach langem Applaus gibt's dann die obligatorische Premierenfeier. Als auch die nach einer langen Nacht zu Ende geht, will keiner mehr etwas mit dem Theater zu tun haben ... aber am nächsten Wochenende stehen doch alle wieder mit viel Elan auf der Bühne ...
...einmal in unsere Puppenwerkstatt reinzuschauen, oder falls Sie irgendwelche Fragen haben,
dann nehmen Sie doch einfach Kontakt zu uns auf!